TALK gegen Rassismus und Diskriminierung

Kulturpreis der LAKS Baden-Württemberg für Demokratie geht 2024 an Jugendkulturprojekt TALK aus Reutlingen

Alle zwei bis drei Jahre verleiht die LAKS Baden-Württemberg e.V. einen Kulturpreis für beispielgebende Projekte aus der Soziokultur. 2024 feierte der Preis Projekte, die Zivilgesellschaft durch Kultur stärken, die Demokratie befördern und konkrete Utopien praktisch umsetzen. Die Jury hat das TALK Projekt aus Reutlingen prämiert. Im Rahmen des Sommerempfangs mit Kolleg*innen aus Soziokulturellen Zentren, Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung wurden der Preis und das Preisgeld von 2.500 Euro feierlich vergeben.

Das Gewinnerprojekt empowert Jugendliche strukturell und inhaltlich

Im TALK Projekt des Soziokulturellen Zentrum franz.K zeigt sich das Engagement für Demokratie in hohem Maße. Bei Gruppenentscheidungen sind Jugendliche selbst beteiligt, legen Regeln fest, lernen und erfahren Respekt im gegenseitigen Umgang. Das TALK Projekt ist ein inklusives Jugendkulturangebot mit den Schwerpunkten HipHop, Antidiskriminierung und Empowerment. Seit 2013 läuft es schuljahresbegleitend, kostenlos, mit wöchentlichen Rap- und HipHop-Tanz-Workshops für Jugendliche im Alter von 14-27 Jahren im Kulturzentrum franz.K Reutlingen und weiteren Workshops in Baden-Württemberg. Das Peer-Coaching-Konzept „each one teach one“ zeichnet die Arbeit aus. Das bedeutet, jede und jeder kann was und gibt dieses Wissen weiter. Am Abschluss steht eine große Show, bei der Teilnehmer*innen ihre Werke präsentieren, diese TALK-Show lief am 29. Juni 2024 im franz.K in Reutlingen im Echazhafen auf der Open-Air-Bühne mit großem Erfolg. 

Anti-Rassismusprojekt TALK entstand aus Diskriminierungserfahrung

Erwähnenswert ist auch die Gründungsgeschichte von TALK, die der Rapper KABU bei der Preisverleihung ansprach: Ein schwarzer Jugendlicher wurde von Türstehern verschiedener Clubs immer wieder abgewiesen, fand keine Unterstützung vor Ort in Reutlingen, gewann aber 2011, nachdem er schließlich aus Berlin Hilfe bekam, eine Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Dadurch wurde klar, dass Jugendliche, die von Diskriminierung und Rassismus betroffen sind, in Reutlingen unterstützt werden müssen. Daraufhin entstand im Kulturzentrum franz K. die Idee für ein Kunstprojekt für Jugendliche: Das Projekt TALK wurde gegründet, gemeinsam mit dem adis e.V.. Der Verein ist Träger der professionellen Antidiskriminierungsarbeit in der Region Reutlingen/Tübingen und Fachstelle zum Thema Diskriminierung in Baden-Württemberg.

Vision einer gerechten Gesellschaft

Kernstück des Projekts ist der Aufbau einer Community zwischen Menschen, die sehr unterschiedlich sind und im gemeinsamen künstlerischen Erschaffen einen respektvollen und vertrauensvollen Umgang einüben und leben. Es geht um HipHop, um Diskriminierungserfahrungen, um Empowerment. Damit steht das Projekt dafür, wofür die Soziokultur steht: Die Vision einer Gesellschaft mit gleichen Rechten, der Möglichkeit, die eigenen Talente zu entdecken, zu entfalten und gleichberechtigt Zugang zu Kunst und Kultur zu finden. Denn darin steckt die Power, die Lebensfreude, manchmal auch der Schmerz und die Ungeduld, die Widerständigkeit, die uns alle antreiben, zu tun was wir lieben. 

Diversität als Praxis beim LAKS Kulturpreis

Die LAKS Baden-Württemberg versucht, davon nicht nur zu sprechen, sondern das auch praktisch umzusetzen. So wurde die Jury im Kreis der Mitglieder geöffnet und divers besetzt. Langjährige Erfahrung trifft auf frischen Wind aus verschiedenen Blickwinkeln: Migrationsgeschichte gehört dazu genauso wie LGBTQA+- Perspektiven.

Es gilt demokratiefeindlichen Bestrebungen entgegenzutreten, sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und für gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie eine offene Gesellschaft einzusetzen. Siegfried Dittler, Geschäftsführer der LAKS betonte die Notwendigkeit demokratischer Prozesse nicht nur in der Politik, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen. „Entscheidend für die Bedeutung der Soziokultur für die Demokratie ist die explizite Möglichkeit der Partizipation. Hier entstehen Möglichkeiten, kulturelle Prozesse eigenverantwortlich mitzugestalten, Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam Ideen zu entwickeln und auf einer professionellen Plattform umzusetzen.“

Der Sozialwissenschaftler Davide Brocchi führte in seinem Impulsvortrag aus, dass die persönlichen Beziehungen an erster Stelle stehen, von ihnen hängt das Gelingen demokratischer Prozesse ab.  Die TALK-Rapperinnen Aquariana und Miss FemBé hatten zum Höhepunkt der Preisverleihung Texte im Gepäck, die davon erzählen.

Der Jury gehörten im Jahr 2024 folgende Personen an:

Laila Koller (LAKS Baden-Württemberg e.V.)
Ingo Liedtke (IG Kultur Sindelfingen)
Leonora Lorena (Fabrik Freiburg)
Sarah Ungan (Karlstorbahnhof Heidelberg)
Britta Velhagen (Kulturzentrum Tollhaus, Karlsruhe)
Nina Wittmann (KKT Stuttgart) 


Preisverleihung 2024 an das Talk Projekt in der Rosenau

Preisträgerinnen
1992–2024

„TALK Projekt“ - adis e.V. in Kooperation mit dem franzK., Reutlingen
"AMS* Camp", Kul­tur­werk­statt Sim­mers­feld und den Kin­der- und Ju­gen­ver­band–Die Fal­ken, Ba­den-Würt­tem­berg
"Ankommen in Horb", Projekt Zukunft e.V. und Kulturbrücke, Horb
„So­li­da­r­Ener­gie - För­der­ver­ein zur Un­ter­stüt­zung kul­tu­rel­ler und so­zia­ler Pro­jek­te e.V.“, Frei­burg
„Eh­ren­preis an Pro­fes­sor Dr. Her­mann Bau­sin­ger“, Kul­tur­wis­sen­schaft­ler, Tü­bin­gen
„Forum der Kul­tu­ren Stutt­gart e.V.“, Stutt­gart
„Hor­ber In­itia­ti­ve für den Frie­den“, Horb
„Kul­tur­werk­statt Sim­mers­feld“, Sim­mers­feld
„In­sti­tut für an­ge­wand­te Le­bens­freu­de“, Frei­burg
„50 Jahre 23. Fe­bru­ar …“, Pforz­heim & „Fa­schis­mus, Ge­walt & Ende des 2. Welt­kriegs“, Wei­kers­heim
„Musik im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger“, AAK, Frei­burg

Geschichte des Kulturpreises

Der Kulturpreis der LAKS wurde 1992  unter dem Namen „Theo Pinkus Preis“ ins Leben gerufen, in Erinnerung an Theo Pinkus (1909 -1991) benannt, dem Buchhändler und Aktivisten der neuen sozialen Bewegungen. Mit Theo Pinkus wurde an einen Menschen erinnert, der durch sein praktisches Wirken die Idee der Selbstverwaltung verfolgt und einen Beitrag zur Entwicklung der Zivilgesellschaft mündiger Bürger*innen geleistet hat, einem Ziel, dem auch die Soziokulturellen Zentren verpflichtet sind.

Der Preis soll eine Ermutigung sein für alle Versuche, konkrete Utopien praktisch umzusetzen. Dieses Ziel verfolgt die LAKS Baden-Württemberg unbeirrt weiter und widersetzt sich damit demokratiefeindlichen Bestrebungen.